KIES
Fotografien von Martin Nimmervoll
Über das Projekt:
KIES ist eine Auseinandersetzung mit der Landschaft und dem Industriegebiet um Herzogenburg und Traismauer, zwischen St. Pölten und Krems. Dieser Landstrich blickt heute auf eine bald 150-jährige Tradition als Industriegebiet zurück. 1875 verlegte Carl Grundmann seinen in Wien gegründete Betrieb in die Region um Herzogenburg und errichtet mit den Gebrüder Grundmann Werken im Südosten Herzogenburgs die führende Schließwarenfabrik der Donaumonarchie. Heute prägen neben den hier angesiedelten Industriebetriebe vor allem zahlreiche Kiesgruben das Landschaftsbild dieser Gegend; aufgerissene Erde, Aufschüttungen, riesige Fördermaschinen allerorts zwischen Feldern und Schotterteichen. Da und dort finden sich aufgelassene Industrieanlagen, verlassene Mühlen und verfallene Wirtschaftsgebäude. Industrielle Architektur ist „nomadische“ Architektur. Anlagen werden gebaut, genutzt, geschliffen, neue Anlagen werden auf alten Grundmauern errichtet. Diese Nutzung kennt keine Sentimentalitäten. Ringsum, die durch den Menschen veränderte Landschaft.
Sujets der industriellen Produktion und der Industriearchitektur haben eine lange Geschichte in der Fotografie. Bereits die FotografInnen der Neuen Sachlichkeit, hier ist Albert Renger-Patzsch (*1897 – ✝1966) besonders zu nennen, entdeckten um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts Motive der industriellen Produktion und der Industriearchitektur für ihre Fotografien. Es sind die Landschaften und Bauten des sich zu einem Höhepunkt steigernden industriellen Zeitalters, welchen diese FotografInnen ihre Aufmerksamkeit schenken. Die neue Sachlichkeit zeitigt einen nüchternen, jedoch nicht rein dokumentarischen, vielmehr ästhetischen, gar ästhetisierenden Blick. Obschon ästhetisch, sind es die Gegenstände des Alltags eines modernistischen und sich mit rasender Geschwindigkeit fort entwickelten Zeitalters, auf den die Neue Sachlichkeit ihren Blick richtet.
Die fotografischen Dokumentationen hingegen, die etwa Dorothea Lange (*1895 – ✝1965) oder Walker Evans (*1903 – ✝1975) zwischen 1935 und 1944 für die Farm Security Administration während der Zeit der Great Depression in den USA unternahmen, gehören zu den wichtigsten Fotodokumenten zur Situation der arbeitenden Menschen angesichts sich verändernder ökonomischer Verhältnisse. Sie dokumentieren Armut und Kinderarbeit unter Bedingungen fortschreitender Industrialisierung. Sie gelten bis heute als wichtige VertreterInnen einer „sozialen“ Fotografie, die nicht nur aufzeichnet und zeigt, sondern die sich mit explizitem Interesse für die arbeitenden Menschen einsetzt.
In den 1960er Jahren nahmen sich Bernd und Hilla Becher (*1931 – ✝2007 und *1934 – ✝2015) der verfallenden Industriegiganten, der Hochöfen, der Fördertürme, der Silos einer zu Ende gehenden europäischen Schwerindustrie an. Ihre photografischen Typologien industrieller Großbauten gelten als nicht zu unterschätzender Beitrag zur Etablierung der Fotografie im Kontext der bildenden Kunst. Darüber hinaus ist ihr Werk eine eindringliche Auseinandersetzungen mit der architektonischen Hinterlassenschaft einer im Zuge der Industrialisierung, der industriellen Nutzung von Ressourcen sowie der Produktion von Gütern veränderten Umwelt.
Als zeitgenössische Position waren die fotografischen Arbeiten von Ines Schaber (*1969) von großem Einfluss. Zum einen arbeitet Ines Schaber fotografisch, indem sie Orte und Menschen fotografiert. Zum anderen arbeitet sie auf einer Metaebene, indem sie sich in ihren Arbeiten explizit etwa mit eben den Arbeiten Walker Evans beschäftigt. In der Arbeit Picture Mining (welche selbst Teil eines noch umfangreicheren Fotobuchprojekts namens Notes on Archives ist) verbindet sie die Orte der Fotografien Walker Evans mit den Orten heutiger Informationstechnologie und -industrie. Dabei begleitet die Künstlerin ihre fotografische Arbeit durch theoretische Auseinandersetzung. Die Fotografien, die dabei entstehen sind jedoch weniger dem Dokumentarischen zuzuordnen als sie vielmehr Meditationen über Landschaften und Orte zu sein scheinen.
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